»Grzimek war einer der markanten, auch prägenden Bildhauer
der 1950er bis 1970er-Iahre. Damals tobte der dumme
ideologische Kunststreit Realismus gegen Abstraktion. Wobei
Letztere damals in der stalinistischen frühen DDR
›Formalismus‹ oder ›bürgerlich dekadent‹ genannt wurde. Der
Kalte Krieg auch in der Kunst vernichtete Kreativität und
auch Existenzen. Grzimek hielt an der menschlichen Figur
fest, aber Heldenbilder verweigerte er, genau so wie auch
andere Bildhauer seiner Generation das taten: Gustav Seitz,
Theo Balden, Will Lammert, Fritz Cremer. Grzimek konnte
poetisch, ernst und traurig, aber auch witzig sein. (….)
Bademeister, 1960
Sein bronzener ›Bademeister‹ von 1958 zeigt
Gelassenheit schlechthin. Die Gestalt, die da auf
einem Hocker im Stadtbad sitzt, scheint zufrieden
mit sich und der Welt, auf dem Bauch lustige
Fältchen, auf den Lippen ein Lächeln. das entweder
der Sonne oder unsichtbaren Leuten ringsum gilt.«
So schrieb Ingeborg Ruthe über die
Ausstellung im stilwerk Berlin anlässlich des 100.
Geburtstages von Waldemar Grzimek in der Berliner
Zeitung vom 12.12.2018, neben dem Tagesspiegel
die einzige Tageszeitung Deutschlands, die den 100.
Geburtstag Grzimeks überhaupt zur Kenntnis nahm.
Ihren Herausgebern wäre zu wünschen, dass sie, wenn
Ingeborg Ruthe einmal in den Ruhestand wechselt,
ebenbürtige, so sachkundige, geistig offene, vom
Mainstream unabhängige Nachfolger für Berichte über
Bildende Kunst finden.
Kauernde I, 1958 / Tänzerin II, 1967
Striptease, 1967 / Kauernde, Zustand I, 1959
»Unter den figürlichen Bildhauern der Nachkriegszeit war
Grzimek ein Spieler.
Ob bronzenes Paar. liegende, Kniende, Tanzende, Schwebende,
Kriechende oder Tierdarstellung – es geht um Bewegung – aber
nicht als Motiv, sondern als Verteilung
von Volumen im Raum. Und die entstehende Spannung meint das quicklebendige,
nicht das zur Form erstarrte Leben. (…) Stromlinienförmiges
gibt es hei ihm nicht, Unregelmäßigkeiten und Brüche umso
mehr. Da verrät sich Grzimek auch als temperamentvoller
lyrischer Fabulierer. Am Nachlass ist abzulesen, wie sich
eine neue Auffassung von Bildhauerei der Nachkriegszeit den
Weg bahnte. Grzimeks Plastik vereint Reales mit abstraktem
Formen-Ordnen. Dabei war er am einzelnen ›Figürlichen‹ nicht
so interessiert wie am komplexen Körper und dessen
eigenartiger Logik.
Nichts Symbolisches oder Allegorisches sollte entstehen,
sondern Plastik, die ein Körpergefühl ausdrückt, gebaut auf
einer geometrischen Grundform. Das nun führte auch zu leicht
kubistischen Formen, wie etwa beim ›Bademeister‹.«
Ingeborg Ruthe im gleichen Artikel
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