Sehr geehrte Damen und Herren,
bevor der Januar zu Ende geht, zwei Hinweise auf bevorstehende
Veranstaltungen, die Bildhauerei betreffend:
Ausstellung:
Anna Martha M. Napp und Hans W. Schreiber Skulpturen und
Malerei
galerie
martina fregin
18273 Güstrow
Hageböcker Straße 10
17. Februar – 20. April 2024
geöffnet Mi 12 – 16, Do 10 – 13 und 15 – 17,
Sa 11 – 14 Uhr
Vernissage:
17. Februar 2024, 15 Uhr
Es spricht: Klaus Tiedemann, Kunsthistoriker, Rostock
Anmeldung
bis 10. Februar 2024
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»Kunst ist eine Sache allertiefster Menschlichkeit«, Ernst
Barlach 1918
Zwei beeindruckende Beispiele von Anna Martha Napp:
Großmutter mit Decke, 2011, Steinguss, 1/7, Eigenguss, 34 × 24 ×
16 cm / Großmutter sitzend, 2011, Steinguss, 1/7, Eigenguss, 31
× 24 × 17 cm
Großmutter, 2011, Bronze, 2/7, Bronzegießerei Statuarius,
Bremen, 30 × 25 × 15 cm
· Fotos: Kay Zimmermann
Christoph Tannert: Rede zur Vernissage der Ausstellung am
15.2.2018 um stilwerk
»Die Bildwerke der Großmutter von Anna Martha Napp handeln von
dem, was sich der Aussage entzieht, was den Redenden sprachlose
stehen lässt. So variantenreich, wahrhaftig und berührend sind
diese Figuren. Die Künstlerin blickt genau hin, zugleich voller
Herzlichkeit und Respekt. Was ich sehe, hat mich bewegt. Die
Künstlerin lässt uns durch diese Werke mitfühlen. Das gelingt
ihr, weil sie auf einem avancierten Niveau von Fertigkeiten
arbeitet. Und weil sie das innere Band, das sie mit ihrer
Großmutter verbindet, ein lebendiges Feld des Erlebens,
hochgradig inspiriert hat.«
12 Jahre später:
Rabbi William Wolff, 2023, Bronze, Guss: Bronzegießerei
Karsten Lachmann, Ziesendorf, H: 43 cm
· Fotos: Anna Napp
Auf unspektakuläre Weise hat Anna Martha Napp ein Bildnis
geschaffen voller Innerlichkeit, dem erlebten Abbild vertrauend.
Empfehlenswert auch die beiden Filme über den Rabbi von Britta
Wauer. Der Rabbi William Wolff hat in Schwerin und Rostock in
den jüdischen Gemeinden unvergessliches geleistet, in der
gleichen Stille, wie sie die Plastik ausstrahlt. Entstanden ist
die Plastik auf der Grundlage von Zeichnungen vor dem Modell
(siehe dazu auch
Newsletter vom 27.11.2023).
Ein Bildnis »allertiefster Menschlichkeit« in der Barlach-Stadt
Güstrow.
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Skulpturensammlung der Waldsiedlung Bernau/
Kunstraum Innenstadt – Filmvorführung:
Fritz Cremer (1906–1993)
»Ich weiß nicht, ob ich Kunst mache ... «
Ein Film von Renate Drescher, Rolf Liebmann, Werner Kohlert
Donnerstag, 8.2.2024, 19 Uhr
Kunstraum Innenstadt
Alte Goethestraße 3
15321 Bernau bei Berlin
Vorführung des Dokumentarfilms
»Fritz Cremer zum 66.«
in Anwesenheit des Kameramanns Werner Kohlert,
der Eintritt ist frei
moderiert von Thomas Kumlehn
Kontakt: Kulturamt der Stadt Bernau bei Berlin: 033338
365311
weitere Informationen
hier und im nebenstehenden
Faltblatt zur Veranstaltung
PDF |
Und noch ein bemerkenswertes Bildnis von Anna Franziska
Schwarzbach:
Kim (mit Sockel), 1977/2017
Maße des Kopfes: 48 × 54 × 40 cm, Foto: Künstlerin
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Es war, glaube ich, im Jahre 2017, als ich auf dem Hof von
Franziska Schwarzbach stand und auf einem Abfallhaufen einen
Kopf aus Holz fand, der eine spannende Form und einen
beeindruckenden Ausdruck hatte. Die spannende Form war
entstanden, weil sie aus einen Keil, wie er beim Abholzen
von Bäumen herausgeschnitten wird, um den Baum in eine
bestimmte Richtung fallen zu lassen, herausgearbeitet wurde.
Hans Brockhage, ihr Vater war ein sehr bekannter
Holzbildhauer überließ diese Keile der Tochter als
Feuerholz. Aus so einem Stück ist das Porträt entstanden.
Auf die Frage nach dem Modell erzählte Frau Schwarzbach mir
beiliegende Geschichte über Kim Rose.
»Kim Rose, wer war Kim? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, er
war sehr groß und dünn wie eine Stabheuschrecke, trank jeden
Tag eine Flasche Rotwein, rauchte ununterbrochen und aß am
Abend ein Kotelett. Kim wurde in Australien geboren. Er
hatte sein Abitur in London gemacht. Irgendwie hatte es ihn
nach Berlin verschlagen. Er las englische Bücher. Wenn er in
seinem Sessel saß, sah es aus, als wären Sessel und er EINS.
So einen ›Sessel-Kim‹ habe ich in Stein geschlagen. Er war
der Freund einer Freundin, die als Modegestalterin am
Modeinstitut der DDR arbeitete. Kim hatte einen
Bildhauerfreund der war sehr, sehr klein. Wenn die beiden am
späten Nachmittag in die Kneipe liefen, sah es aus, als
kämen sie aus einem Film von Visconti. Wir hatten in
Berlin-Weißensee um die Kunsthochschule herum fünf Kneipen:
Den ›langen Arm‹, den ›Einäugigen‹, den ›Porr‹, ›die
Schwestern‹ und ›die Witwen‹. Später kam im Prenzlauer Berg
der ›Lampion‹ hinzu. In einer dieser Kneipen waren Kim und
Radack immer zu finden.
Es gab eben kein Handy. Kim sagte mir, er wäre Kosmologe. Er war
Astrophysiker an der Akademie der Wissenschaften. Sein Interesse
galt der kosmischen Hintergrundstrahlung. Als Ernö Rubik 1974
den Zauberwürfel erfand, war Kim der erste, der sich damit
sein Bier in den Kneipen verdiente. Im Nu hatte er alle
Farben geordnet. Er lebte in einer anderen Welt. In einer
Welt voller Geheimnisse. Kim war unfassbar. Vielleicht habe
ich ihn deshalb gezeichnet, modelliert, gesägt. Er war ein
Einzelgänger. Trotzdem zog er die |
verrücktesten Leute an: Primzahlen- und
Tiersprachenforscher, Schriftsteller, Bühnenbildner. Wenn die
sich unterhielten, konnte man ungestört zeichnen. Es ging um
schwarze Löcher, um noch kleinere Teilchen, die ›tunneln‹
können. Er lebte von diesen Gesprächen. Ich verstand nichts. Ich
wollte auch nichts verstehen. Ich wollte zeichnen. Kim war
begeistert von einem Robert Allen Zimmermann und las uns dessen
Texte vor. Später bekam ich mit, dass es Bob Dylan war. Es war
eine aufregende Zeit.«
Ich hob den verstoßenen Holzklotz auf, gab in Frau Schwarzbach
mit der Aufforderung, diesen in Bronze gießen zu lassen. Roman
Pecher, ihr Gießer hat eine seltene Patina erzeugt, die den
Anschein hat, die Plastik sei aus Holz. Entstanden ist die
Holzstudie 1977, der Bronzeguss ist aus dem Jahre 2017. Ich
hatte diesen Kopf erstmalig 2018 bei der Ausstellung »Köpfe« von
Anna Franziska Schwarzbach gezeigt. Die Präsentation war aber
bisher nicht so überzeugend, wie der Kopf selbst. Nun haben wir
eine überzeugende Lösung gefunden mit einem Holzsockel, fest
verbunden mit dem Porträt, ein Unikat.
Sehr geehrte Damen und Herren,
nun kommen Sie noch gut durch den Rest des Winters, möglichst
ohne Stürme, Hochwasser und Schneeverwehungen, möglicht ohne
Bahnstreik und möglichst gesund.
Im Newsletter 02/2024 werden wir Ihnen die neue Web-Präsentation
von Anna Martha Napp vorstellen.
Ihr Wilfried Karger |