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Newsmail Juni 2022_02, Kunsthandel Dr. Wilfried Karger
 

28.6.2022

Zwei Berliner Bildhauer

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Juni dieses Jahres jährte sich der Todestag des Bildhauers Richard Heß zum 5. Mal (am 9. Juni) und der des Bildhauers Joachim Dunkel zum 20. Mal (am 10. Juni). Beide sind in Berlin geboren und gestorben, haben an der Hochschule für Bildend Kunst in Berlin-Charlottenburg studiert, Dunkel hat immer in Berlin gelebt und gearbeitet, Richard Heß hat lange Zeit in Darmstatt gelebt und hatte eine Professur an der Fachhochschule in Bielefeld, ist 1999 wieder nach Berlin gekommen, Dunkel hatte eine Professur an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg.
Beide waren wichtige figürliche Bildhauer Deutschlands der Nachkriegszeit.

l.: Joachim Dunkel 1996 im Atelier (Ausschnitt), Foto: Bernd Borchardt / r.: Richard Heß1995 im Atelier, Foto: Ferdinando Cioffi

Richard Heß war mehrere Jahre Assistent bei Waldemar Grzimek und bewunderte dessen Vermögen, plastisch zu modellieren, seine Art Wölbungen von innen heraus spannungsreich aufzubauen.
Die weiblichen Akte von Heß ließen dessen Lust verspüren, Grzimek nachzueifern. Seine weiblichen Akte dienten dieser Lust, die Wölbungen wurden zum Synonym von Leben.

Werkabbildungen: für größere Darstellung auf die Bilder klicken

Richard Heß: Tänzerin I, 1983, Bronze 3/3, 156 × 51 × 36 cm, Foto: Hermann Büchner / Weibliche Halbfigur, 2002, Bronze, 110 × 46 × 44 cm, Foto: G. Lotze / Badende IV, 1988, Gips für Bronze, 140 × 43 × 40 cm, Foto: Hermann Büchner

Ein ehemaliger Student von Joachim Dunkel erzählte mir einmal bei einem Besuch in einer der Ausstellungen von Joachim Dunkel folgende Geschichte:
Sie hatten einmal ein wunderschönes weibliches Modell zum Modellieren. Mit Freude hat er sich ans Arbeiten gemacht, wobei ihn die Rundungen am meisten interessierten. Dann kam Dunkel zur Korrektur und Schnitt mit seinen Messer die Rundungen von der Plastik aus Ton ab mit der Bemerkung »wir modellieren keine Frauen, sondern machen Plastik!«

Joachim Dunkel: Mittelgroße stehende weibliche Figur auf Standring (Tabakdose angegossen), 1985, Bronze, H: 56 cm /
Große axial Sitzende auf angegossenem Thonet-Stuhl, 1982, Bronze, 130 × 80 × 100 cm / Mittelgroße weibliche Figur gehend, 1997, Bronze, H: 50 cm

So unterschiedlich sind die plastischen Bilder zweier Berliner Bildhauer aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom weiblichen Akt.

»Für die männliche Vitalität des Bildhauers ist der kraftvoll entwickelte Frauenköper die wichtigste Inspirationsquelle und der Inbegriff des Lebendigen…« Helmut Börsch-Supan im Vorwort zu Werkverzeichnis von Richard Heß. Dennoch war »er immer ein engagierter Künstler, der mit seinen Arbeiten zu den Verwerfungen seiner Zeit Stellung nahm … und seine Menschenbilder als Mitfühlender schuf.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der Ausstellung von Richard Heß anlässlich seines 80. Geburtstages im stilwerk Berlin am 17.2.2017

»Dunkel hat in seinen Arbeiten stets alles Glatte, von dem ein haptischer Reiz ausgeht, vermieden. (…) Keine der Figuren Dunkels ist das, was man einen Handschmeichler nennt, obgleich die gestaltende Hand in den Skulpturen wie in den Zeichnungen stets gegenwärtig ist. Seine Figuren scheinen zu vermitteln: ›Rühr mich nicht an!‹
Sie sind verletzt und drohen, den zu verletzen, der sie anrührt.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt am 15.5.2007

Richard Heß
li.: Opfer I, 1973, Bronze, 120 × 40 × 50 cm, Foto: M. Bunge

u. l:
Krieger II, 2003, Bronze, 74,5 × 39,5 × 46,5 cm, Foto: R. März

u. l.:
Sieger und Opfer II, 1977, Bronze, 80 × 40 × 44 cm, Foto: M. Bunge

»Die Bilder von menschlichem Dasein, zu denen es Heß drängt, und die er uns vorhält, preisen einerseits Lebenskraft, und Sinneslust, zeigen andererseits deren Gefährdung, Verletzung, Zerstörung an und bezeichnen viele Abstufungen zwischen diesen Polen. Heß hat immer wieder Gestalten geschaffen, die ganz heftig Gewalttätigkeit in Krieg und Völkermord anprangern. (…) Da wird die Fähigkeit von Heß sichtbar, mit sparsamen Formen psychische Vorgänge zu erfassen, einen Charakter erkennbar zu machen. Das gilt ebenso für Figuren, aus denen Lebensbejahung spricht. (...) Dabei ist immer auch ein Moment der verunsicherten Frage im Spiel, das verhindert, dass es zu einer wirklichkeitsfremden platten Idealisierung kommt. Für den Realismus von Heß ist es zwingend, dass er seinen Figuren innere Widersprüche mitgibt, bzw. an ihnen aufdeckt.«
Peter H. Feist zur Vernissage der Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt am 23.3.2008

Joachim Dunkel:
Liegende, 1979, Bronze auf Treibholz, 18,5 × 31 × 16,5 cm
Liegende auf schmaler Plinthe, 1996, Bronze, 27 × 80 × 25 cm

»Das Gestalten einer Figur hatte für Dunkel etwas zu tun mit dem Gestalten von Leben, mit ständiger Veränderung. Das war ihm eine Aufgabe, ein Problem, und er suchte es durch Arbeit zu bewältigen. Da blieb wenig Raum für Eitelkeit und Selbstgenuss.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt am 15.5.2007

Joachim Dunkel:
Liegende weibliche Figur auf angegossenem Rechtecksockel, 1997, Bronze, 14,5 × 32 × 14 cm
Gefallener Krieger, 1999, Bronze, 6 [o. S.] × 32 × 14 cm

»Unter dem Leichten jedoch schwang stets eine tiefe Trauer. Sie ist in allen seinen Figuren zu spüren. Ich kenne keine, die selbstbewusst posiert, keine, die unversehrt ist. Dieses Lebensgefühl äußert sich in der Handschrift, die zwar von eminentem anatomischen Wissen gesteuert ist, sich aber immer wieder befragt, das soeben Gesetzte verändert, ja auszustreichen scheint, und nicht minder deutlich ist es in den ikonographischen Inhalten zu fassen. Die Kreuzigungen etwa sind weder Lösungen von Formproblemen noch theologische Aussagen; sie sind Darstellung von zutiefst empörenden barbarischen Handlungen. Analog ist das Thema des Trojanischen Krieges behandelt und mit ihm sind natürlich die Kriege unserer so fortgeschrittenen Zeit gemeint. Als bildender war Dunkel auch ein gebildeter Künstler, doch mehr mit tiefem als mit horizontal schweifendem Blick.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der gleichen Ausstellung

»Ich denke: sein (Dunkels) Werk gibt Maßstäbe, die wir dringend benötigen, an die Hand, und es lehrt uns, Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen, in die wir verwickelt sind. Bei aller Vorsicht mit Superlativen glaube ich doch, mit guten Gründen behaupten zu können, dass Joachim Dunkel der beste West-Berliner Bildhauer seiner Generation war, seiner Generation, d. h. derjenigen, die durch das mit der Naziherrschaft verknüpfte Inferno der Kriegszeit im Innersten erschüttert worden ist und im Wortsinn todernst war. In dieser Einschätzung stehe ich nicht allein.«

Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der Ausstellung im stilwerk Berlin am 15.5.2007

Joachim Dunkel:
Kalliope, aus Vier Musen, 1971/72, Bozzetto zu Attilafiguren Schloss Charlottenburg, Aluminium, H: 65 cm
Melpomene, aus Vier Musen, 1971/72,  Bozzetto zu Attikafiguren Schloss Charlottenburg, Aluminium, H: 65 cm

Richard Heß:

obere Reihe:
Frau beim Arzt III, 1991, Bronze, 41 × 19 × 20 cm, Foto: Hermann Büchner
Mann mit Kind II, 2000, Bronze, 51 × 28 × 13,5 cm
Gruppe, 1999, Bronze, 63 × 45 × 28 cm, Foto: A. Herrmann

o. l.:
In der Sonne, 1989, Bronze, 32 × 16 × 16 cm, Foto: G. Lotze

o. r.:
Mann mit Kind I, 2000, Bronze, 25 × 13 × 7,5 cm, Foto: R. März
 

li.:
Ausruhende IV, 2001, Bronze, 95 × 38 × 54 cm, Foto: R. März
 

 

 

 

 

»Er (Heß) geht konsequent vorn Anschauen der Realität aus, selbst wenn er einmal einen Ausflug in die Mythologie macht. Viele Kunstkritiker, die über ihn schrieben, nennen ihn zu Recht einen Beobachter. Er bleibt dabei freilich nie gleichgültig, nimmt vielmehr Anteil, und zwar völlig unsentimental, und weitet, gegebenenfalls zu Recht voll Zorn, aber niemals plakativ agitierend.«

Peter H. Feist zu Vernissage der Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt am 13.3.2008

 

Weitere Werke können Sie in der Rubrik Künstler meiner Webseite betrachten und auch erwerben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nicht nur der Todestage zweier bedeutender figürlicher Bildhauer gilt es zu gedenken – junge befähigte Künstler dieses Metiers folgen den Meistern auf ihrem eigenen Weg.

Einer von den wenigen ist Sebastian Paul, dessen erweiterte und neu aufbereitete Werk-Präsentation auf meiner Website ich Ihnen kürzlich präsentierte.
Seit 24. Juni bis zum 26. August 2022 stellt er zusammen mit der Malerin Heidi Mumenthaler in der Galerie der Kunstgießerei Altglienicke (vormals ehemals Kunstgießerei Flierl), Wegedornstraße 46 in 12524 Berlin (Einfahrt 52) aus, Informationen dazu hier – die Ausstellung ist Montag bis Freitag 10 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet.
Den Besuch kann ich sehr empfehlen.

 

Ihr Wilfried Karger

 

Werkaufnahmen:
Joachim Dunkel: Hermann Büchner / Richard Heß: siehe Werkangaben

 

 

Allgemeine Information im Internet unter www.kunsthandel-karger.com sowie bei facebook und Instagram

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