Sehr geehrte Damen und Herren,
im Juni dieses Jahres jährte sich der Todestag des
Bildhauers
Richard Heß zum 5. Mal (am 9. Juni) und der des
Bildhauers
Joachim Dunkel
zum 20. Mal (am 10. Juni). Beide
sind in Berlin geboren und gestorben, haben an der
Hochschule für Bildend Kunst in Berlin-Charlottenburg
studiert, Dunkel hat immer in Berlin gelebt und gearbeitet,
Richard Heß hat lange Zeit in Darmstatt gelebt und hatte
eine Professur an der Fachhochschule in Bielefeld, ist 1999
wieder nach Berlin gekommen, Dunkel hatte eine Professur an
der Hochschule der Bildenden Künste in
Berlin-Charlottenburg.
Beide waren wichtige figürliche Bildhauer Deutschlands der
Nachkriegszeit.
l.: Joachim Dunkel 1996 im Atelier (Ausschnitt), Foto: Bernd
Borchardt / r.: Richard Heß1995 im Atelier, Foto: Ferdinando
Cioffi
Richard Heß war mehrere Jahre Assistent bei Waldemar Grzimek
und bewunderte dessen Vermögen, plastisch zu modellieren,
seine Art Wölbungen von innen heraus spannungsreich
aufzubauen.
Die weiblichen Akte von Heß ließen dessen Lust verspüren,
Grzimek nachzueifern. Seine weiblichen Akte dienten dieser
Lust, die Wölbungen wurden zum Synonym von Leben.
Werkabbildungen: für größere Darstellung auf die Bilder
klicken
Richard
Heß:
Tänzerin I, 1983, Bronze 3/3, 156 × 51 × 36 cm, Foto:
Hermann Büchner /
Weibliche Halbfigur, 2002, Bronze, 110 × 46 × 44 cm, Foto:
G. Lotze /
Badende IV, 1988, Gips für Bronze, 140 × 43 × 40 cm, Foto:
Hermann Büchner
Ein ehemaliger Student von Joachim Dunkel erzählte mir
einmal bei einem Besuch in einer der Ausstellungen von
Joachim Dunkel folgende Geschichte:
Sie hatten einmal ein wunderschönes weibliches Modell zum
Modellieren. Mit Freude hat er sich ans Arbeiten gemacht,
wobei ihn die Rundungen am meisten interessierten. Dann kam
Dunkel zur Korrektur und Schnitt mit seinen Messer die
Rundungen von der Plastik aus Ton ab mit der Bemerkung »wir
modellieren keine Frauen, sondern machen Plastik!«
Joachim Dunkel:
Mittelgroße stehende weibliche Figur auf Standring
(Tabakdose angegossen), 1985, Bronze, H: 56
cm /
Große axial Sitzende auf angegossenem Thonet-Stuhl, 1982,
Bronze, 130 × 80 × 100 cm /
Mittelgroße weibliche Figur gehend, 1997, Bronze, H: 50 cm
So unterschiedlich sind die plastischen Bilder zweier
Berliner Bildhauer aus der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts vom weiblichen Akt.
»Für die männliche Vitalität des Bildhauers ist der
kraftvoll entwickelte Frauenköper die wichtigste
Inspirationsquelle und der Inbegriff des Lebendigen…« Helmut
Börsch-Supan im Vorwort zu Werkverzeichnis von Richard Heß.
Dennoch war »er immer ein engagierter Künstler, der mit
seinen Arbeiten zu den Verwerfungen seiner Zeit Stellung
nahm … und seine Menschenbilder als Mitfühlender schuf.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der
Ausstellung von
Richard Heß anlässlich seines 80. Geburtstages im stilwerk
Berlin am 17.2.2017
»Dunkel hat in seinen Arbeiten stets alles Glatte, von dem
ein haptischer Reiz ausgeht, vermieden. (…) Keine der
Figuren Dunkels ist das, was man einen Handschmeichler
nennt, obgleich die gestaltende Hand in den Skulpturen wie
in den Zeichnungen stets gegenwärtig ist. Seine Figuren
scheinen zu vermitteln: ›Rühr mich nicht an!‹
Sie sind
verletzt und drohen, den zu verletzen, der sie anrührt.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der
Ausstellung in der
Galerie am Gendarmenmarkt am 15.5.2007
|
Richard Heß
li.:
Opfer I, 1973, Bronze, 120 × 40 × 50 cm, Foto: M. Bunge
u. l:
Krieger II, 2003, Bronze, 74,5 × 39,5 × 46,5 cm, Foto: R.
März
u. l.:
Sieger und Opfer II, 1977, Bronze, 80 × 40 × 44 cm, Foto: M.
Bunge |
»Die Bilder von menschlichem Dasein, zu denen es Heß drängt,
und die er uns vorhält, preisen einerseits Lebenskraft, und
Sinneslust, zeigen andererseits deren Gefährdung,
Verletzung, Zerstörung an und bezeichnen viele Abstufungen
zwischen diesen Polen. Heß hat immer wieder Gestalten
geschaffen, die ganz heftig Gewalttätigkeit in Krieg und
Völkermord anprangern. (…) Da wird die Fähigkeit von Heß
sichtbar, mit sparsamen Formen psychische Vorgänge zu
erfassen, einen Charakter erkennbar zu machen. Das gilt
ebenso für Figuren, aus denen Lebensbejahung spricht. (...)
Dabei ist immer auch ein Moment der verunsicherten Frage im
Spiel, das verhindert, dass es zu einer wirklichkeitsfremden
platten Idealisierung kommt. Für den Realismus von Heß ist
es zwingend, dass er seinen Figuren innere Widersprüche
mitgibt, bzw. an ihnen aufdeckt.«
Peter H. Feist zur Vernissage der
Ausstellung in der Galerie
am Gendarmenmarkt am 23.3.2008
|
Joachim Dunkel:
Liegende, 1979, Bronze auf Treibholz, 18,5 × 31 × 16,5 cm
Liegende auf schmaler Plinthe, 1996, Bronze, 27 × 80 × 25 cm |
»Das Gestalten einer Figur hatte für Dunkel etwas zu tun mit
dem Gestalten von Leben, mit ständiger Veränderung. Das war
ihm eine Aufgabe, ein Problem, und er suchte es durch Arbeit
zu bewältigen. Da blieb wenig Raum für Eitelkeit und
Selbstgenuss.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der
Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt am 15.5.2007
|
Joachim Dunkel:
Liegende weibliche Figur auf angegossenem Rechtecksockel,
1997, Bronze, 14,5 × 32 × 14 cm
Gefallener Krieger, 1999, Bronze, 6 [o. S.] × 32 × 14 cm
|
»Unter dem Leichten jedoch schwang stets eine tiefe Trauer.
Sie ist in allen seinen Figuren zu spüren. Ich kenne keine,
die selbstbewusst posiert, keine, die unversehrt ist. Dieses
Lebensgefühl äußert sich in der Handschrift, die zwar von
eminentem anatomischen Wissen gesteuert ist, sich aber immer
wieder befragt, das soeben Gesetzte verändert, ja
auszustreichen scheint, und nicht minder deutlich ist es in
den ikonographischen Inhalten zu fassen. Die Kreuzigungen
etwa sind weder Lösungen von Formproblemen noch theologische
Aussagen; sie sind Darstellung von zutiefst empörenden
barbarischen Handlungen. Analog ist das Thema des
Trojanischen Krieges behandelt und mit ihm sind natürlich
die Kriege unserer so fortgeschrittenen Zeit gemeint. Als
bildender war Dunkel auch ein gebildeter Künstler, doch mehr
mit tiefem als mit horizontal schweifendem Blick.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der gleichen
Ausstellung
|
|
»Ich denke: sein (Dunkels) Werk gibt Maßstäbe, die wir
dringend benötigen, an die Hand, und es lehrt uns,
Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen, in die wir
verwickelt sind. Bei aller Vorsicht mit Superlativen glaube
ich doch, mit guten Gründen behaupten zu können, dass
Joachim Dunkel der beste West-Berliner Bildhauer seiner
Generation war, seiner Generation, d. h. derjenigen, die
durch das mit der Naziherrschaft verknüpfte Inferno der
Kriegszeit im Innersten erschüttert worden ist und im
Wortsinn todernst war. In dieser Einschätzung stehe ich
nicht allein.«
Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der
Ausstellung im stilwerk Berlin am 15.5.2007 |
Joachim Dunkel:
Kalliope, aus Vier Musen, 1971/72, Bozzetto zu
Attilafiguren Schloss Charlottenburg, Aluminium, H: 65 cm
Melpomene, aus Vier Musen, 1971/72, Bozzetto zu
Attikafiguren Schloss Charlottenburg, Aluminium, H: 65 cm
|
Richard Heß:
obere Reihe:
Frau beim Arzt III, 1991, Bronze, 41 × 19 × 20 cm, Foto:
Hermann Büchner
Mann mit Kind II, 2000, Bronze, 51 × 28 × 13,5 cm
Gruppe, 1999, Bronze, 63 × 45 × 28 cm, Foto: A. Herrmann
o. l.:
In der Sonne, 1989, Bronze, 32 × 16 × 16 cm, Foto: G. Lotze
o. r.:
Mann mit Kind I, 2000, Bronze, 25 × 13 × 7,5 cm, Foto: R. März
li.:
Ausruhende IV, 2001, Bronze, 95 × 38 × 54 cm, Foto: R. März
»Er (Heß) geht konsequent vorn Anschauen der Realität aus,
selbst wenn er einmal einen Ausflug in die Mythologie macht.
Viele Kunstkritiker, die über ihn schrieben, nennen ihn zu
Recht einen Beobachter. Er bleibt dabei freilich nie
gleichgültig, nimmt vielmehr Anteil, und zwar völlig
unsentimental, und weitet, gegebenenfalls zu Recht voll
Zorn, aber niemals plakativ agitierend.«
Peter H. Feist zu Vernissage der
Ausstellung in der Galerie
am Gendarmenmarkt am 13.3.2008 |
Weitere Werke können Sie in der
Rubrik Künstler meiner
Webseite betrachten und auch erwerben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
nicht nur der Todestage zweier bedeutender figürlicher
Bildhauer gilt es zu gedenken – junge befähigte Künstler
dieses Metiers folgen den Meistern auf ihrem eigenen Weg.
Einer von den wenigen ist Sebastian Paul, dessen erweiterte
und neu aufbereitete
Werk-Präsentation auf meiner Website ich
Ihnen kürzlich präsentierte.
Seit 24. Juni bis zum 26. August 2022 stellt er zusammen mit
der Malerin Heidi Mumenthaler in der Galerie der
Kunstgießerei Altglienicke (vormals ehemals Kunstgießerei
Flierl), Wegedornstraße 46 in 12524 Berlin (Einfahrt 52)
aus, Informationen dazu
hier – die Ausstellung ist Montag bis Freitag 10 bis 16
Uhr und
nach Vereinbarung geöffnet.
Den Besuch kann ich sehr empfehlen.
Ihr Wilfried Karger |