Walter Libuda zum
Neujahrsempfang des Kunst-
handels Dr. Wilfried Karger
am 18.1.2020, Foto: Dietrich
Graf
Einladungskarte
zur Ausstellung
»FREIREISER«
Plastiken · Objektkästen
· Bilder
von Walter Libuda
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Walter Libuda ist gestorben. Es war am 6. Juli nach einer
Herzoperation.
Geboren wurde er 1950 in Zechau-Leesen. Von 1973 bis
1978 studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst
Leipzig bei Harry Blume, Dietrich Burger, Hans Mayer-Foreyt,
Ulrich Hachulla, Karl-Georg Hirsch, Gerhard Kurt Müller und Arno
Rink. 1978 bis 1979 war er Meisterschüler bei Bernhard Heisig.
Von 1978 bis 1980 Assistent an der Hochschule für Grafik und
Buchkunst Leipzig und von 1980 bis 1982 freischaffend in Leipzig
tätig. 1985 Umzug nach Berlin. Seit 1991 war er Mitglied des
Künstlerverbandes »Neue Gruppe München«, seit 1992 Mitglied im
Deutschen Künstlerbund. Seit 1998 war er Mitglied der
Sächsischen Akademie der Künste. 1999 erhielt er den
Fred-Thieler-Preis der Berlinschen Galerie und 2000 den
Gerhard-Altenbourg-Preis des Lindenau-Museums Altenburg. Seit
2004 lebte und arbeitete Walter Libuda in Schildow bei Berlin.
Seit 2018 gehörte er der Gerhard Altenbourg Gesellschaft an.
Walter Libuda gehörte zu der zweiten Generation der DDR-Malerei,
die unter dem Begriff der »Leipziger Schule« in ihrer Kunst die
Dogmen des sozialistischen Realismus überwand und selbstbewusst
die Fragen nach dem Sinn des Lebens im realen Sozialismus neu
aufwarf, gleichnishaft und emotional.
Arbeiten von Walter Libuda befinden sich in öffentlichen
Sammlungen in Aachen, Altenburg, Berlin, Augsburg, Bad Homburg,
Bonn, Budapest, Cambridge/Mass (USA, Cottbus, Dresden,
Düsseldorf, Frankfurt am Main, Frankfurt (Oder), Hannover,
Leipzig, London, Luxembourg, Moskau, München, Neubrandenburg,
Oberhausen, Oldenburg, Oslo, Peking, Potsdam und in vielen
privaten Sammlungen.
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Ockerland, 2017-19, Objektkasten: Karton, Pappmaché,
Gouache, bemalt, verglast: Acrylglas, 60 x 70 x 10 cm,
Foto: Christo Libuda
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Zunehmend löste sich Walter Libuda von allem
ost-west-ideologischem Ballast, inhaltlich und stilistisch und
gab sich ganz der Magie des Fantastischen hin.
Woher Walter Libuda die Titel seiner Arbeiten nimmt ist nicht
ersichtlich, sie sind genauso fantastisch wie die Arbeiten
selbst.
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Goldjungs, 2007, Öl/Leinwand, 70 x 60 cm / Deckler,
1996, schwarzer Ton, Glasur, H: 43 cm
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»Im Jahr vor dem Fall der Mauer« heißt es im Nachruf von
Ingeborg Ruthe in der
Berliner Zeitung, »malte Walter Libuda das
große Ölbild ›Die Schleuse‹. Es gehört der Neuen Nationalgalerie
- eine bühnenartige, expressionistische und zugleich trancehafte
Szenerie in einem wie zusammengesteckten Bildaufbau: Auf der
Tafel ein fleckenhaft vibrierendes Bildgeschehen, ein
Figurengemenge von Grenzwächtern und Fliehenden in einem Tunnel,
der zugleich eine Bootsform hat. Alles überzogen von
Schlaglichtern. Der Maler fand so eine Metapher für die damalige
Fluchtbewegung aus der DDR in Richtung Westen, ein
zerrbildhaftes Gleichnis für die Situation und auch für die
eigene Ohnmacht. Das Motiv lässt auf ein großes Vorbild
schließen - auf den aus Leipzig stammenden Max Beckmann.«
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Chevalier von den drei Beinen, Bronze bemalt, 1999/2019,
H: 156 cm, Foto Christo Libuda /
Läuter, 1997, Bronze, H: 60 cm, Foto: Christo Libuda
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»FREIREISER« - Titel nicht nur einer farbig glasierten Keramik,
sondern auch jener
Ausstellung im Kunsthandel Dr. Wilfried Karger in der
Kantstraße Berlin vom 22. November 2019 bis 25. Januar 2020 -
scheint jedoch symptomatisch für sein Werk. Frei ist Libuda von
allen Einordnungen in Schubladen, weder Leipziger Schule noch
Berliner Malerschule halten ihn gefangen, weder figurativ noch
nonfigurativ, weder realistisch noch surrealistisch, obwohl
letzteres vielleicht naheliegt, sind seine Arbeiten, sie sind
einfach erdacht, erfunden, erfühlt von Walter Libuda, voller
Sinnlichkeit, den eigenen inneren Gesetzlichkeiten folgend, ob
in der Fläche, im Körperlichen oder im Raum seiner Objektkästen.
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Blick in die Ausstellung im Kunsthandel Karger, Fotos:
Dietrich Graf
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Frei ist er eben auch vom Genre, auch wenn die Bilderwelt wohl
die vorherrschende ist und bleiben wird. Plastiken - Keramiken
und Bronzen - gab es immer neben den Bildern, seit 2005 etwa
kommen seine »Objektkästen« dazu, nicht Assemblagen, nein, 10 cm
hohe Kästen, abgedeckt mit einer Platte aus Acrylglas, dahinter
eingesperrt reliefartige Landschaften unterschiedlichster Formen
und Materialien, fabulierend wie seine Bilder auch, eine
überbordende Gedankenwelt diszipliniert in den Kasten 90 x 70 x
10 cm gebannt.
»Doch ist das Werk nicht nur eine freche Absage an die
klassische Skulptur, sondern verweigert sich auch allen
kunsthistorischen Schubladen«, schrieb Angelika Leitzke über
diese Ausstellung in der Zeitung Der Tagesspiegel am 21.
Dezember 2019, und weiter: »Geistig frei reisen soll der
Besucher in dieser Ausstellung, deren skurrile Titel Rätsel
aufgeben. Im ›Freireiser‹, einem koboldhaften Ensemble aus farbig
glasierten Ton, glaubt man Hahnenköpfe und eine Schildkröte zu
erkennen.«
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Freireiser, 1999, weißer Ton, Glasur, 53 x 31 x 53 cm,
Foto: Christo Libuda
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Die Bilderwelt von Walter Libuda ist voll von sich überlagernden
Assoziationen, von Freuden und Ängsten, von Erinnerungsfetzen,
Erfahrungen und Vorstellungen. Sie kommen und gehen im kreativen
Vorgang, der unter Umständen mehrere Jahre dauern kann, er malt
oder baut immer an mehren Bildern oder Objekten mit
Unterbrechungen.
Am Ende stehen für den Betrachter Gebilde in der Fläche im Raum
oder im Kasten dessen Entschlüsselung eine Herausforderung ist,
das Erlebnis aber sinnlich großen Genuss bietet und Kraft
vermittelt.
Für mich war die Ausstellung
»Freireiser« nicht nur eine erweiterte Sicht auf die
figurative Skulptur, sondern auch ein neues Erlebnis kraftvollen
und humorvollen Formens der Körper im Raum durch Walter Libuda.
Die Zusammenarbeit mit ihm, respektvoll und voller gegenseitiger
Anerkennung, hat sich bei mir tief eingeprägt. Für mich ist sein
Tod ein großer Verlust.
Dr. Wilfried Karger |
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