Im Juli hat der Bildhauer Friedrich B. Henkel Geburtstag, am
26., in diesem Jahr ist es sein 85. Das ist wohl ein Grund,
einen Blick auf sein Leben und sein Werk zu werfen.
Geboren ist er am 26. Juli 1936 in Zella in der Rhön. Nach
der Grundschule im Heimatort absolvierte er ab 1950 eine
zweijährige Holzbildhauerlehre bei seinem Großonkel, dem
Bildhauer Nikolaus Gille in Kirstingshof/Rhön. Ein Jahr lang
setzte Henkel seine Ausbildung an der Fachgrundschule für
Holzbildhauer in Empfertshausen/Rhön fort, die er 1953 mit der
Facharbeiterprüfung als Holzbildhauer abschloss. Er studierte
von 1953 bis 1956 an der Fachschule für angewandte Kunst Leipzig
in der Abteilung Plastik und von 1956 bis 1958 an der
Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Theo Balden und Waldemar
Grzimek, Abteilung Plastik. Wegen finanzieller Schwierigkeiten
brach Henkel das Studium ab. 1958 bis 1959 war er Mitarbeiter im
Atelier von Waldemar Grzimek. Er arbeitete unter anderem mit an
der Realisierung der Denkmal-Gruppe für das ehemalige KZ
Sachsenhausen. In dieser Zeit lernte Henkel bei einem
Atelierbesuch in Grzimeks Atelier die Bildhauer Richard Scheibe
und Gerhard Marcks kennen. Mit Marcks ergab sich schnell ein
Kontakt und ein langjähriger Briefwechsel. Marcks machte später
auch Atelierbesuche bei Henkel in Berlin. Von Marcks erhielt
Henkel fortgesetzte Ermutigung, Unterstützung und Beratung. Der
Briefwechsel wurde teilweise publiziert. Es entstanden
bildhauerische Werke, mit denen er sich an der Deutschen
Akademie der Künste in Berlin als Meisterschüler bewarb. 1966
begann das Meisterschülerstudium bei Fritz Cremer, das er 1969
abschloss. 1969 folgte eine einjährige Assistenz an der
Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Abteilung Plastik. Ab 1970 war
Henkel freischaffend als Bildhauer und Grafiker in Berlin tätig.
Von 1975 bis 1994 verwirklichte er in einem großen Atelier in
Berlin-Niederschönhausen verschiedene Projekte. Von 1978 bis
1980 hatte Henkel einen Lehrauftrag an der Kunsthochschule
Berlin-Weißensee, Abteilung Plastik. 1980 errichtete er in
Biesenthal/Mark Brandenburg ein kleines Atelier. Seitdem
arbeitet er dort im Sommer vor allem am Stein. 2004 zog er von
Berlin nach Bernau bei Berlin um, wo er seither lebt. Henkel ist
gleichzeitig als Bildhauer, Zeichner und Grafiker tätig. Er
erhielt folgende Auszeichnungen: 1971 Will-Lammert-Preis der
Akademie der Künste Berlin, 1976 Kunstpreis der DDR, 1992
Stipendiat der Stiftung Kulturfonds, Berlin und 2007
Brandenburgischer Kunstpreis.
Er selbst schrieb 1995: »Bildhauer sein bedeutet: Widerstand
leisten gegen das Material, das Flüchtige, die Tradition, die
Dummheit. Der Bildhauer ist kein Träumer, kein Mystiker. Er ist
Arbeiter, Handwerker, Formschöpfer, Verteidiger von Form und
Raum. Mir geht es um die Verdichtung der Form, die - in der
Wirklichkeit wurzelnd - ein autonomes Gebilde ist. Im
glücklichen Fall entsteht im Werk eine Verschmelzung der
Bilderfahrung zur Metapher.«
für größere Darstellung auf die Werkabbildungen klicken
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Kleiner Meteorafelsen, 1992, Marmor, H: 29,5 cm
Durchbruch, 2002, Speckstein, 23,5 x 20 x 18 cm
Doppel-Zeichen, 2010, Rogenstein, 35 x 44 x 5 cm
Kleine Wolke, 2001, Alabaster, 17 x 22 x 8 cm
Drei Fromen III, 2004, Alabaster, 20 x 37 x 33 cm |
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2017 erschien auf seine Initiative und mit großer Unterstützung
von Dr. Anita Beloubeck-Hammer im Lukas Verlag das Buch:
Friedrich B. Henkel: Skulpturen, Collagen, Zeichnungen und
Grafik mit 272 Seiten, 366 Abbildungen und Texten von Anita
Beloubek-Hammer, Klaus Hammer, Fritz Jacobi, Anita Kühnel, Jens
Semrau und Jörg Sperling.
Im Vorwort heißt es: »Friedrich B. Henkel, … gehört zu den
namhaftesten Bildhauern in Ostdeutschland. Im Kontext der
überwiegend figurativen Bildhauerkunst in der DDR zeichnete sich
sein Schaffen schon bald durch die Orientierung auf erweiterte,
von der klassischen Moderne eröffnete Formungsmöglichkeiten aus.
Geprägt vom Landschaftserlebnis seiner Jugend in der
thüringischen Rhön wurde die Verbindung von Kunst und Natur sein
vorrangiges künstlerisches Anliegen, für das er eine
unverwechselbare Bildsprache im Spannungsfeld von Gewachsenem
und Gebautem, Organik und Konstruktion fand. Bisweilen dominiert
das Konstruktive, dann wieder biomorphe Organik - stets wirkt
die Suggestion des Vitalen, weil auch beim Konstruktiven der
Ausdruck des Technoiden vermieden wird. Auch Reiseerlebnisse vom
Kaukasus bis zu den kykladischen Inseln inspirierten in diesem
Sinne sein Werk. |
Henkels bildhauerische Formen sind - trotz Abwesenheit konkreter
Hinweise auf den Menschen - von Sinnlichkeit und emotionaler
Wärme erfüllt. Der Band gibt mit
etwa 230 Werken einen Querschnitt des nahezu sechs Jahrzehnte
umfassenden, konsequent von der figurnahen Gestaltung zum
metaphorischen Zeichen führenden Schaffens. Stets wurde es
begleitet von Reflexionen zur künstlerischen Arbeit, zu
Problemen von Tradition und Erneuerung sowie zu Künstlerkollegen
in Gegenwart und Vergangenheit. Die hier ausgewählten Texte sind
zugleich Dokumente einer von tiefen Umbrüchen geprägten Zeit.
Neben aktuellen Beiträgen von sechs namhaften
Kunstwissenschaftlern werden Auszüge aus Kunstkritiken
wiedergegeben. Beispiele aus dem Briefwechsel von Friedrich B.
Henkel mit Gerhard Marcks erhellen Standpunkte unterschiedlicher
Bildhauergenerationen in einem geteilten Land.«
In den Bestand des Kunsthandels Dr. Wilfried Karger, der an sich
auf die Figuration in der Plastik fokussiert ist, kamen Henkels
Werke im Rahmen der
Ausstellung aus Anlass des 100. Geburtstages des Bildhauers
Fritz Cremer »Fünf Meisterschüler« vom 6. Oktober bis zum
26. November 2006 in der Galerie am Gendarmenmarkt:
»Ganz unterschiedlich sind die ›Schüler‹ ihrem ›Meister‹
gefolgt, ihm nachstrebend, sich auseinandersetzend, aber auch
sich distanzierend, zu unterschiedlichen Zeiten sich auch
unterschiedlich absetzend von seinen ästhetischen und
politischen Einsichten, basierend auch natürlich auf der Basis
der eigenen, ganz verschiedenen Biographien.
In der formalen Konsequenz plastischer Umsetzung der
menschlichen Figur sind die Schüler weiter gegangen, im
Anknüpfen an Vorbilder aus der Geschichte der Kunst sind sie
vielfältiger und in ihrer ästhetischen Position differenzierter,
weniger politisiert als Cremer«, hieß in der damaligen
Presseinformation.
Dr. Anita Beloubeck-Hammer sagte in der Laudatio zur Ausstellung
über Friedrich B. Henkel: »Nach figürlichen Anfängen hat er
zunächst mit anthropomorphen Figurationen, Metamorphosen
zwischen Landschaft und Mensch, eine Alternative zu der
hierzulande traditionell dominierenden - und auch
kulturpolitisch gewünschten - Darstellung des Menschen in der
Plastik geschaffen. Die Werke, die hier ausgestellt sind - alles
Steine, von 1996 bis jetzt entstanden - gehören einer neuen
Schaffensphase an, die sich mit einer staunenswerten
Produktivität entlädt. Sie half dem Bildhauer über die
resignativen Zeiten nach der Wende hinweg, die mit
Atelierverlust und öffentlicher Ignoranz so manchen Künstler aus
der DDR überkamen. Der seit je auf Reisen fruchtbare
Inspirationen empfangende Künstler - früher war das in Rumänien
und Georgien zum Beispiel - wurde auch zu dieser Gruppe
weitgehend abstrahierter architektonischer Formen durch
Reiseerlebnisse inspiriert: Titel wie ›Chora I‹, ›Katikia‹,
›Kykladische Zeile‹ und ›Agadir/Speicherburg der Berber‹ zeugen
von Henkels Erkundung der mittelmeerischen Länder. Die dort
vorgefundenen unregelmäßigen Architekturen, die wie
naturgewachsen erscheinen, sind Zwitterformen zwischen Skulptur
und Architektur. Sie zeugen von einer dort noch vorhandenen
engen Verbindung des Menschen mit der Natur und kommen damit der
ureigenen Lebens- und Kunstauffassung von Henkel nahe. Denn
diese wurde geprägt durch das frühe Erlebnis des
landschaftlichen Raumes in der Rhön im Verbund mit dem Menschen,
durch das naturgegebene Beieinander von Gewachsenem und
Gebautem, Natur und Architektur. Bei einigen dieser Formationen
begegnen wir dem kubistischen Prinzip der Verschachtelung und
Verräumlichung oder auch der Reduktion auf Zeichenhaftes, zum
Beispiel einem Formenverlauf im Zickzack, der sich aber doch zum
Ganzen schließt, und den Titel ›Ein Lebenslauf‹ trägt.«
Seitdem besetzt Friedrich B. Henkel mit Erfolg den äußersten
Rand der figurativen Skulptur im Kunsthandel Dr. Wilfried
Karger, vor allem weil seine Abstraktion immer wieder herrührt
von der Anschauung und nicht ausschließlich erdachte Form ist.
»Agadir - Speicheburg der
Berben« (2002), »Italienische Bergstadt« (1992), »Kykladisches
Taubenhaus (2010), »Mädchenkopf« (2006) und »Exotisches Gewächs«
(2002)
sind Beispiele für Werke die dem Gegenstand verbunden bleiben.
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o.:
Exotisches Gewächs, 2002, farbiger Speckstein, 21 x 21 x 5,5
cm
Mädchenkopf, 2006, rosa Speckstein, 24 x 23 x 17 cm
Kykladisches Taubenhaus, 2010, Kalkstein,15 x 15 x 9 cm
li./re.:
Italienische Bergstadt, 1992, Marmor, 6 x 35 x 10 cm
Agadir - Speicherburg der Berber, 2002, Alabaster, 23 x 33 x
7 cm |
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»Chora I« (1996) »Lebenslauf II« (2006), »Figuration« (2008),
»Japanisches Zeichen« (2008) und »Kleines figürliches Zeichen«
(2008) sind Marksteine der Zeichenhaftigkeit seiner Skulpturen.
Noch ganz anders ist seine Anregung bei der Skulptur »E la nove
va«.
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Chora I, 1996, Marmor, 27,5 x 26 x 23 cm /
Figuration, 2008, Kalkstein, 59 x 20 x 11 cm /
Japanisches Zeichen, 2008, Sandstein, 28 x 40 x 17 cm |
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Kleines figürliches Zeichen, 2009
roter Sandstein, 17,5 x 30,5 x 15 cm |
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E
la nove va (Das Schiff der Träume nach Fellini), 2006,
hellgrüner Speckstein, 21 x 34 x 12 cm |
Sein Atelier in Biesental musste Friedrich B. Henkel aufgeben.
Seit dem ist er mit großer Energie damit beschäftigt in neuen
Räumen in Bernau bei Berlin sein Archiv auszubauen und
einzurichten.
Doch nun erst einmal herzlichen Glückwunsch und beste Gesundheit
sowie Schaffenskraft für den Bildhauer Friedrich B. Henkel.
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o.:
Ein Lebenslauf, 2006, hellroter Sandstein, 30 x 39 x 15,5 cm
/ Gewächs, 2003, Speckstein, 15 x 29 x 3,5 cm /
o. T. (durchbrochene Skulptur), 2002, Alabaster, 21 x 37 x 7
cm
u: Kalika I, 1996, Marmor, 31,4 x 31 x 17 cm / Kykladische
Zeile, 2006, Marmor, 23 x 79 x 10 cm ·
Werkfotos: Hermann Büchner |
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