Waldemar Otto ist einer der bedeutenden Vertreter der
figurativen Bildhauerei in Deutschland, die gerne in den
Kunstzeitschriften, bei den Kurtoren oder den Jurys,
aber auch an den Kunstschulen als nicht zeitgemäß, als
unmodern oder gar rückwärtsgewandt abgetan wird. Im
Ergebnis eines Jahrzehnte langem Siegeszug der
abstrakten Kunst nach 1950 wird figurative Bildhauerei
insgesamt und undifferenziert ins Abseits gestellt, ohne
zu berücksichtigen. dass innerhalb dieser
unterschiedliche, zeitgemäße und ausdrucksstarke
plastische Formen existieren.
Waldemar Otto ist ein entschiedener Vertreter diese
Bildhauerei. Die Form prägt sein Werk, nicht das Abbild
der Natur, und Übersteigerungen, manchmal bis zum
Extrem, liebt er zuweilen.
»Form« und »Figur« sind die untrennbaren Kernbegriffe
der modernen figürlichen Bildhauerei, aus »formlosen«
Stoff wird etwas gestaltet, das eine andere Bedeutung
erhält, in der figürlichen Kunst bleibt daher die Form
immer mit dem Inhalt verbunden, das ist ihr
unschätzbarer Wert für Waldemar Otto.
Bezeichnend für sein Œuvre ist, dass er unterschiedliche
Wege gegangen ist, viele Möglichkeiten untersucht hat,
um seine Kunst inhaltlich wirken zu lassen, narrativ
manchmal, fast agitatorisch, wie bei seinem jüngsten
Werk, »Die Merzwaage« (nach Roland Merz) einerseits,
fast abstakt in der großen Form der Gewandfiguren
andererseits. Die Werkgruppe der »Zeitgenossen« hat eher
karikative Züge. Mit Agamemnon, Iphigenie, Nereus und
Aphrodite nutz er mitunter auch die Symbolkraft der
Mythologie. Form und Figur aber bleiben dabei immer sein
ideelles Zentrum.
Mit figürlichen Lösungen hat sich Waldemar Otto mit
Vehemenz an den Wettbewerben zum Einheits- und
Freiheitsdenkmal in Berlin und Leipzig beteiligt. Doch
der Mainstream entschied sich für die »Wippe« in Berlin
und die »Apfelplantage in Leipzig«.
Ausgestellt sind etwa 30 Bronzeplastiken aus den Jahren
von 1963 bis 2019 aus den unterschiedlichen
Werkgruppen.
|
oben v. l. n. r.:
Figur mit Gewand IX, 2004
Das Genie am Knetwerk,
2011-2013
Mann, 2006
links:
Geh, 2008
rechts:
Montalteser Mensch + Maß XX, 2018 |
|
|
|
Großer Bulle
mit Europa, 1995 / Größter Petersburger Stier III, 1998
/ Bulle I, 1995 /
Kleinster Petersburger Stier I, 1998 |
|
|
|
|
Montalteser
Bürgermeister, 2005 / Figur mit Gewand XXIV, 2004 /
Alter Mann II, 2008 /
Figur zwischen Wänden, 2008 |
|
|
|
Sakrileg, 2012
/ Die Schaukel, 1963 / Kopf vom alten Mann, 2008 |
Biografie
Am 30. März 1929 wurde Waldemar Otto als fünftes von
sechs Kindern eines lutherischen Pfarrers in Petrikau/Polen
geboren. Er wuchs in Lodz und Kolo auf. 1939, nach der
Besetzung Polens, geriet die Familie unter den Druck der
Nationalsozialisten. Als Fünfzehnjähriger wurde Otto zum
Volkssturm eingezogen. 1945 floh die Familie nach Halle
(Saale). In den Franck'schen Stiftungen in Halle legte
Waldemar Otto 1948 das Abitur ab.
Über die Schwestern, die an der Kunstgewerbeschule Burg
Giebichenstein studierten und über seinen Schwager, der
Kustos am Museum Moritzburg in Halle war, hatte er
Zugang zu den dortigen Kunstsammlungen und erlebte mit,
wie die Bilder und Plastiken der als ›entartetet‹
verfemten Expressionisten aus ihren Verstecken geholt
wurden.
Gleich nach dem Schulabschluss begann Otto an der
Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg
mit dem Studium der Bildhauerei bei Alexander Gonda. Zur
gleichen Zeit lehrten an der Hochschule Richard Scheibe,
Waldemar Grzimek und Gustav Seitz.
1952 bis 54 war Otto Meisterschüler bei Alexander Gonda,
der sich selbst zwar ganz der Abstraktion zugewendet
hat, seinem Schüler aber das figurative Arbeiten nicht
verwehrte.
1953 beteiligte sich Otto an der Exposition
Internationale des Beaux Arts in Mailand und 1954 mit
der »Berliner Neuen Gruppe«, der unter anderem Hartung,
Heiliger, Hofer und Pechstein angehören, an einer
Ausstellung in Baden-Baden. 1954/55 erhielt Otto ein
Stipendium des DAAD für ein Jahr in Florenz.1955 begann
seine freischaffende Tätigkeit in Berlin.
Otto nahm an Gruppenausstellungen in Düsseldorf und
Florenz teil, im gleichen Jahr wurde ihm der Preis der »Karl-Hofer-Stiftung«
verliehen, 1957 erhielt er den Preis der »Großen
Berliner Kunstausstellung« und 1960 den Berliner
Kunstpreis »Junge Generation«. 1963 bis 1965 war Otto
Artist in Residence an der University of Notre Dame in
Indiana/USA. Nach einer kurzen Zeit als
wissenschaftlicher Angestellter an der
Architekturfakultät der Technischen Universität in
Braunschweig erhielt Waldemar Otto 1973 einen Ruf als
Professor an die Hochschule für Künste in Bremen. 1976
ließ er sich in Worpswede nieder, zunächst im Barkenhof,
dem einstigen Wohnsitz Heinrich Vogelers, 1979 baute er
sich sein eigenes Atelier mit Wohnhaus.
1981 war Otto Ehrengast der Villa Massimo in Rom. 1992
war er Lehrer an der Sommerakademie in Salzburg, 1995
erhielt er die USA-Ehrengabe zum Lovis-Corinth-Preis.
1997 fand in der Eremitage in St. Petersburg eine große
Retrospektive statt, 2000 erhielt Otto den Prix Florance
Gold in Monaco und 2001 zeigte das Nationalmuseum von
Santiago in Chile eine Ausstellung seiner Werke.
Seit 1962 fanden viele Ausstellungen im In- und Ausland
statt, Plastiken im öffentlichen Raum von Waldemar Otto
stehen in 26 Städten und seine Werke befinden sich in 23
Museen.
Internetpräsenz Waldemar Otto:
https://waldemar-otto.com |